Bild: Rainer Sturm / Pixelio
Am unteren Ende ihrer Schräge liegen Satteldächer meist auf einer Fußpfette auf. Pfetten nennt man die Balken von einer Giebelwand zur anderen, auf denen die Sparren sitzen wie die Hühner auf der Stange. Um die Schräge nicht gleich am Boden, sondern höher beginnen zu lassen, mauert man die traufseitigen[1] Hauswände über den Boden des Dachgeschosses weiter auf, um auf diese Weise die Fußpfetten aufzubocken. Die Schenkel des Daches erinnern nun an die Oberschenkel eines noch halb in der Hocke befindlichen Gewichthebers, daher lautet der Name dieser Aufbockung “Kniestock”.
Geringe Raumhöhe wird gering geschätzt
Bei Dachkonstruktionen früherer Zeiten hat man den Raum zwischen Boden und Schräge bis in die Höhe von etwa einem Meter als verloren angesehen und mit sogenannten Drempelwänden vom besser nutzbaren Teil des Dachraumes abgeschieden. Auch Normen zur Berechnung der Wohnflächen setzen den Dachraum in der Höhe von weniger als einem Meter mit “0” und den Anteil zwischen einem und zwei Metern Höhe mit der Hälfte an.
Moderne Baudamen und Bauherren gehen noch einen Schritt weiter und verpönen die Dachschräge mehrheitlich vollends. Lässt sie sich partout nicht vermeiden, streben sie eine Maximierung der Kniestockhöhe an. Dazu muss man wissen, dass viele Bebauungspläne einem Dachgeschoß nicht die volle Raumhöhe eines Normalgeschosses zubilligen. Je nach Landesbauordnung darf vereinfacht gesagt ein bestimmter Messbereich eines Dachgeschosses das Maß von zwei Dritteln bzw. drei Vierteln der Größe des darunter gelegenen Geschosses nicht überschreiten. Lediglich Brandenburg kennt keine Nichtvollgeschosse, von Mallorca ist keine Regelung bekannt.
Ein hohes Fassadenfenster an der Traufseite?
Auch die drei Größen Traufhöhe, Firsthöhe und Dachneigung limitieren die Größe des möglichen Dachraumes. In der beschriebenen Gemengelage ist die Höhe des Kniestocks die populärste Stellschraube, um möglichst den letzten Kubikmeter Wohnraum aus dem Dachgeschoß herauszukitzeln. Dabei wird meiner Ansicht nach gerne beherzt über das Ziel hinausgeschossen, weil viel ja bekanntlich viel hilft. Dazu gehört beispielsweise, dass die Fußpfette unterbrochen wird, um eine Fenster über den Kniestock „hinauswachsen“ zu lassen – ein Luxus, von dessen Kosten eine durchschnittliche Familie einen ganzen Jahresurlaub bestreiten könnte.
Fassaden- oder Dachflächenfenster?
Die Höhe des Kniestocks bestimmt also auch in aller Regel, welche Fenster an den Traufseiten eingebaut werden. Ist sie hoch genug, kann es darunter ein Fassadenfenster geben. Darüber gibt es eh nur Dachflächenfenster. Diese benötigen auch noch ein bisschen mehr Höhe bis zur Unterkante der Verglasung. Das bedeutet bei hohem Kniestock, dass Sie sich von der Sitzgruppe aus den Hals verrenken müssen, um durch das Dachfenster mehr als nur den Himmel zu sehen. Sie können zwar im Kniestock ein Fassadenfenster unter das Dachfenster setzen, aber die tatsächliche Höhe dieses Fensters ist noch um einiges geringer als die Stockhöhe, denn Ringanker und Rolladenkasten nehmen ebenfalls Raum ein. Es besteht die Gefahr, dass Sie hier quasi „einen Balken“ im Blick haben.
Und was ist nun das Beste?
Nun beurteile also jeder Mensch selbst, wie glückselig der Pyrrhussieg macht, bei dem man dem Bebauungsplan den höchstmöglichen Kniestock abtrotzt.
Und damit es nicht heißt, der 11ant knottert nur und drückt sich um die positive Darstellung: Ein zweckmäßig dimensionierter Kniestock findet seine Höhe im Streubereich von etwa einem Meter zwanzig plus/minus zwanzig Zentimeter, gerechnet ab Oberkante Fertigfußboden.
[1] Traufseite = die Seite eines Giebelhauses, an der die Dachfläche auf die Regenrinne (Traufe) zuläuft.