Bild: Britta Glass / pixelio
So unterschiedlich die Ansichten von Bauherren und Baudamen in vielen Fragen sind, so einig ist sich ihr Chor doch in einem Punkt, und der lautet: Man baut nur einmal. Doch weshalb ist dieser Mythos so hartnäckig, obwohl er Bauwillige ihrer Energien und Chancen beraubt?
Woher der Glaubenssatz kommt
Als vor zweihundert Jahren mit Liberté und Egalité die Klassenschranken weicher wurden, verwendeten viele Familien erstmals ihr Vermögen für ein Eigenheim. Seitdem gehört es zu den Dingen, die man bewahren und vererben möchte. Stieg man gesellschaftlich weiter auf, blieb man der eigenen Scholle treu und baute eher an, als seinen Lebensmittelpunkt zu verlegen.
Der zweite Weltkrieg lehrte viele Menschen, die Heimat, Hab und Gut verloren, verstärkt den Wert dauerhafter Materialien. Gleichzeitig mussten sie zunächst eine Weile mit Provisorien zurechtkommen und erlebten deren Wertverlust. Daraus erklärt sich auch heute noch eine Grundhaltung, möglichst alles von Anfang an “richtig” machen zu wollen.
Veränderte Umstände
Heute vertreibt uns zwar kein Krieg mehr, wohl aber müssen wir bereit zum Aufbruch sein, wenn sich uns in einer anderen Stadt bessere ökonomische Chancen bieten. Außerdem ziehen wir uns mit zunehmender Lebenserwartung in städtische Strukturen zurück, wo Läden und Ärzte in der Nähe sind. Flexible Lebensgestaltung steht also auf der Tagesordnung.
Ein Haus in der bestmöglichen Weise zu bauen, passt daher zu einer Zeit, in der es nur um die Güte der Materialien ging. In der Fernseher, Wasch- und Kaffeemaschinen nur drei Knöpfe hatten. Mittlerweile ist ein einfaches Einfamilienhaus von mehr Kabelbäumen durchzogen als frühere Generationen von Weltraumstationen. Allein die Auswahl der Bodenbeläge lässt sich mühelos zu einer Freizeitbeschäftigung über mehrere Monate ausweiten.
Mit den Fantastilliarden von Kombinationsmöglichkeiten aller Optionen gehen, bis man alle durchdekliniert hat, die gerade noch gewickelten Kinder längst studieren. Und – Sie ahnen es schon – das tun die dann nicht am elterlichen Bauort.
Wechseln Sie die Immobilie, wenn Ihre Situation sich ändert!
Angesichts der Halbwertszeit von vermeintlichen Idealzuständen einerseits und dem immensen Aufwand, das superkalifragilistische Traumhaus zu komponieren andererseits, kann mein Rat also nur lauten: Werfen Sie den Perfektionismus über Bord und arrangieren Sie sich mit 95-prozentigen Zielerreichungen. Diese werden sich nämlich erstaunlich lange als dauerhaft tragfähig und befriedigend erweisen, stehlen Ihnen und Ihrer Familie aber nicht die “Quality Time” miteinander.
Die Neubaugebiete der Achtzigerjahre sind voller “Enkelgrundstücke”, die Zeugnis ablegen vom sinnlosen Bunkern von Baugrund für den Fall, dass die einmal in die weite Welt gezogenen Kinder zurückkommen und auch deren Kinder mit einer Immobilie am “Stammsitz” der Familie noch etwas anfangen wollen. Behalten Sie nach dem Flüggewerden des Nachwuchses das Heft in der Hand, und bauen Sie sich ein neues Nest für Ihre aktuelle Lebensphase.
Leben Sie Jetzt!
Das in jungen Jahren gebaute Haus für Senioren tauglich zu machen, geht mächtig ins Geld, macht aber das Haus nicht wirklich jünger. Etwas Besseres als den Treppenlift oder das alternative Nachtlager im ehemaligen Arbeitszimmer finden Sie überall. Viele Bauherren haben das zwar bei der Elterngeneration so erlebt und halten es daher für klug, ihr eigenes Haus gleich so vorzurüsten. Aber bei den Senioren von morgen zeichnet sich seit mehreren Jahren deutlich ein Trend ab: Sie bauen ihr altersgerechtes Haus kurz vor dem Ruhestand. Führend sind dabei diejenigen, für die das dann das zweite Mal des Häuslebauens ist.